MJ: Anne-Marie Flammersfeld, wer bist du?
AMF: Hallo, ich bin 36jährig, Diplomsportwissenschafterin und betreibe mein eigenes Unternehmen Allmountainfitness, in welchem ich persönliche Trainingsberatung anbiete. Seit 2012 bin ich Ultraläuferin und somit täglich am Sport machen.
Seit 2006 wohne ich in St. Moritz, und weil es da keinen Handballverein gibt, musste ich nach Alternativen suchen – und fand so zum Laufen. Einige Jahre später (2010) traf ich in Patagonien Gunnar aus Norwegen, der auf dem Weg zum 4-Deserts Race Antarctica war – 250 Kilometer in 6 Tagen, durch die Antarktis. Wieder zu Hause habe ich recherchiert, reflektiert und den Trainingsbeginn festgelegt mit dem Ziel, 2012 alle Wüsten zu durchlaufen! (Anm. d. Red.: Sie hat alle vier Rennen gewonnen!)
MJ: Wieso hast Du Dir einen 1-Jahres-Plan erstellt?
AMF: Ein Jahr, weil ich mich gründlich vorbereiten musste, aber auch weil es mit Begeisterung einfach ist, Ziele zu erreichen. Als erstes kommt die Entwicklung der Strategie, wie ich das Ziel erreichen will, mit Teilzielen. Dazu die Vertiefung von Themen wie Ernährung, Trainingsplanung, etc. und die regelmässige Kontrolle des Wegs zum Ziel, Reflexion, Anpassung. Das tägliche Laufen und Trainieren ist erfüllend, ein Vergessen von Raum und Zeit.
MJ: Neben deinen Ultramarathons, von welchen Du jedes Jahr ein paar machst, welches ist Dein nächstes Langfristprojekt?
AMF: Bottom-Up – vom tiefsten Punkt eines Landes zum höchsten, nur mit eigener Muskelkraft. In der Schweiz hab ich es bereits gemacht, nun werde werde ich mit Bottom Up Volcanic die jeweils höchsten Vulkane jedes Kontinents vom tiefsten Punkt aus besteigen. Im Iran war ich dieses Jahr, ein fantastisches Erlebnis! Im nächsten Jahr steht der Kilimanjaro an. Danach Süd- und Nordamerika. Ich mag den Reiz an neuem, daher suche ich immer Wettkämpfe an Orten, an welchen ich noch nicht war.
MJ: Wie ist Deine Beziehung zum Gleitschirmsport?
AMF: Ich war einmal Passagierin bei Michael Gebert (von Flywithandy und Vogelfrei, mehrmaliger X-Alps Teilnehmer), und musste mich fast übergeben. Vor seinem X-Alps 2011 habe ich Michael beraten, mentales und körperliches Training vorbereitet, Ernährungplan erstellt, Strategien für den Wettkampf entwickelt… Mentales ist beim Fliegen sehr wichtig, beim Hike wie beim Fly.
MJ: Hat Michael Gebert nach seiner Nomination für das X-Alps 2015 schon angeklopft?
AMF: Ja…
MJ: OK, Michael ist Profi, was Fliegen und Wandern anbelangt. Welchen Ratschlag hast Du für Hike&Fly Anfänger?
AMF: Etwas Training vor dem ersten Hike lohnt sich, so lässt sich alles etwas mehr geniessen. Grosse Ziele und Träume sind gut, anfangen soll man aber klein, damit man Reserve hat und sich nicht unnötig in Gefahr bringt. Und mein leider viel zu früh verstorbener Kumpel Basti hat immer gesagt: „es lohnt sich immer auf den Berg zu gehen“.
MJ: Bietest Du persönliches Training an, für Personen die besser im Hiking werden wollen?
AMF: Trainingsplanung ist möglich, via E-Mail oder Skype. Aber Kompromisse gibt es keine.
MJ: Welche Ratschläge gibst Du Frauen, um sich durchsetzen zu können in Männerdomänen wie dem Laufen oder Gleitschirmfliegen?
AMF: Zum Thema Hike&Fly kann ich sagen, dass Frauen bessere Austauschsportlerinnen (Fettdepots, Energie) sind. Längere Hikes sind also besser für Frauen. Und ganz generell: klein anfangen und kontinuierlich steigern, sich nicht durch andere behindern oder bremsen lassen, seinen eigenen Weg zu gehen. Es geht nur um dich, nur um du-gegen-dich (UVU ist Sponsor von Anne-Marie). Was kann ich, was will ich? Man macht es nur für sich selbst. Was mir ganz wichtig erscheint, unbedingt auf sein Bauchgefühl hören!!! Man muss seinen eigenen Weg gehen, um sich selbst noch besser kennenlernen. Und wenn man in den Bergen unterwegs ist muss man immer Plan B in der Tasche haben, wenn erste Idee nicht funktioniert. Das ist sehr wichtig, dann ist man ruhiger unterwegs.
MJ: Was isst zu zum Frühstück? Welches Essen nimmst Du mit auf eine Wanderung? Welche Getränke?
AMF: Frühstück: Müsli mit Vollkorn-Haferflocken und Nüssen, dazu Nuss-Mandel-Milch (keine Kuhmilch), Zimt. Vollwertigkeit beachten (also nicht nur Weissbrot), sondern langkettige Kohlenhydrate. Dazu ein Wasser mit Zitrone und einen leckeren Kaffee. Klar gibt’s auch mal ein Rührei oder dergleichen. Hauptsache Frühstück! In meinem Rucksack habe ich immer Biberli, Haferriegel, Nüsse, und Wasser dabei.
MJ: Welches Schuhwerk empfiehlst du?
AMF: Je nach Gelände und Training ist das unterschiedlich. Ist der Körper und insbesondere die Fussgelenke trainiert, kann man eher leichtes Schuhwerk wählen. Ist das Gelände alpin und steinig hilft ein knöchelhoher Schuh. Zum Wandern ist gutes Profil sehr wichtig! Goretex ist nicht zwingend, beziehungsweise ein Kompromiss von Schwitzen zu Wasserdurchlässigkeit. Wer keine schwitzigen Füsse hat, ist mit Goretex wohler als jemand mit Schwitz-Füssen.
MJ: Inwiefern passt Du Deine Kleidung an? Welche Socken, Hosen und Shirts trägst Du?
AMF: Wichtig ist eine gute Passform, die Kleidung soll angenehm zu tragen sein. Das Zwiebelprinzip lohnt sich auf jeden Fall. Beim Wandern nicht zu warm anziehen, damit der Körper nicht überhitzt. Und für Pilot(inn)en wichtig: damit man danach nicht auskühlt und/oder sich erkältet, unbedingt ein Wechselshirt/Unterleibchen mitnehmen. Oft sind Stöcke ganz praktisch. Sie sollten möglichst leicht sein (Black Diamond Karbon). Generell soll man so leicht wie möglich unterwegs sein und nur mitnehmen, was nötig ist.
MJ: Und Socken?
AMF: Socken sollten möglichst eng sein. Ich verwende Kompress-Sport. Hier gilt es Reibung zu vermeiden, um keine Blasen zu kriegen, das heisst eher keine dicken Wandersocken. Wenn man merkt, dass sich Blasen bilden, anhalten und verarzten, denn es wird nicht besser! Es kann auch helfen, die neuralgischen Stellen vorher zu tapen, das sollte man aber vorher schon mal getestet haben.
MJ: Welche Gadgets wie Pulsmesser etcetera verwendest Du?
AMF: Ich versuche, möglichst frei von Technik unterwegs zu sein. Dazu verwende ich eine Suunto GPS Uhr, primär wegen Kompass, Höhenmesser und GPS. Die Herzfrequenz messe ich nur im Intervalltraining, kann man aber machen, um Überbelastung zu vermeiden.
MJ: Wie geht man einen «Berglauf» am besten an? Langsam oder schnell, mit oder ohne Pausen?
AMF: Eher langsam anfangen, um auf Betreibstemperatur zu kommen. Ich empfehle jeweils „Laufen ohne zu Schnaufen“, und etwas Reserve für das Runterfliegen (oder Runterwandern, wenn die Bedingungen es nicht zulassen) zu haben. Man soll die Wanderung auf jeden Fall geniessen können, falscher Ehrgeiz verdirbt nur das Vergnügen. Pausen dauern idealerweise nur 1 – 2 Minuten, weil der Körper sonst zu sehr auskühlt. Also sollte das Getränk in Reichweite sein. Alle 90 – 120 Minuten kann man 20 – 30 Minuten Pause machen und etwas essen – je nach Ambition natürlich.
MJ: Wohin richtest Du Deinen Blick wenn Du wanderst? Hoch (in die Weite), geradeaus, auf die Füsse?
AMF: Gute Frage! (lacht) Normal in einem schrägen Winkel nach unten, 2 – 3 Meter vor den Füssen. Bergauf kann man da eher flexibel sein, bergab muss man unbedingt vorsichtig und konzentriert sein!
MJ: Welche Sicherheitsvorkehrungen triffst Du vor dem Training?
AMF: Bei langen Touren nehme ich ein Mobiltelefon mit, ansonsten keine. Bei Hike&Fly lohnt es sich, jemanden zu informieren, in welches Gebiet man geht. Insbesondere falls man alleine unterwegs ist. So weiss man im schlimmsten Fall, wo suchen.
MJ: Was möchtest Du unseren Leser(inne)n als Inspiration mitgeben?
AMF: Wenn man den Berg erklommen hat, ist das Gefühl noch viel intensiver, als nur mit der Seilbahn hoch zu gehen! Man kann ja mal einen Sonnen Auf- oder Untergang planen und erleben, oder oben übernachten. Die Verbundenheit mit der Natur zu suchen und fühlen, ist eine absolute Bereicherung.
MJ: Schlussfrage: wie kriegt man den Duft aus den Schuhen???
AMF: Ja der Gestank kann echt fies sein… Ich stelle meine Schuhe für ein bis zwei Tage auf den Balkon. Die Sohlen nehme ich raus und stelle sie auf den Ofen, damit sie trocknen. Sprays sind wahrscheinlich eher kontraproduktiv.
Anne-Marie unterstützt auf Ihren Läufen die Paulchen Esperanza Stiftung. Unterstützung ist immer willkommen, auch von Pilot(inn)en.
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